Raus aus der Blase!

„Du musst an die Ränder des Daseins gehen um die Welt so zu sehen, wie sie ist.“ Sagt Papst Franziskus. Er ist davon überzeugt, dass der Blick auf die Welt klarer ist, wenn sie von der Peripherie aus gesehen wird. „Du musst an die Ränder gehen um eine neue Zukunft zu finden.“ Also zu den Ausgegrenzten, Benachteiligten, Flüchtlingen, Armen, … „Wenn es um einen Neuanfang geht, müssen wir immer bei den Geringsten unserer Brüder und Schwestern beginnen.“
In den Etappen der Diözese St. Pölten zum Synodalen Prozess sehe ich diese Bemühung nicht. Es beginnt mit Familien, Gruppen & Gemeinschaften und geht dann über die Pfarren weiter nach oben. Aber bleibt Kirche da nicht zu sehr in den eigenen Reihen? Was ist mit jenen, die weit weg sind, nicht nur von der Kirche, sondern auch von der gesellschaftlichen Teilhabe? Gerade die Pandemie hat viele Menschen in ein Prekariat versetzt, sie an den Rand gedrängt, mitunter in Verzweiflung, Einsamkeit und Verlassenheit gestürzt. Wenn sich also die Kirche auf einen synodalen Weg begibt, dann geht es nicht nur um ihr inneres Gefüge, sondern zuerst um ihre Wesenheit, um eine Kirche in der Welt von heute, um eine „Kirche, die anders ist“ (Yves Congar).

Angeblich läuft es. Aber nicht einmal ich fühle mich angesprochen. Zwar erhalte ich hin und wieder Mails, auch Umfragen, aber ich will keinen Fragebogen mehr ausfüllen. Es spricht mich niemand an, lädt mich ein oder ruft einfach nur an. Ich lese nur davon, allgemein gehalten, unpersönlich, in der Zeitung, auf einer Homepage, einem Newsletter. Zwar schreibt Bischof Schwarz: „Meine große Einladung geht an Sie alle … Fragen wir nach dem „Wir“… Begeben wir uns in eine Haltung der Verletzbarkeit und eröffnen wir eine erneute Wertschätzung füreinander.“ Ja, bitte, aber wann, wie und wo? Mehrmals habe ich mein Interesse angemeldet. Seither warte ich. Und von vielen weiß ich, sie tun es nicht. Sie er-warten sich von der Kirche nichts (mehr)!

Zuhören
„Der Weg beginnt mit dem Zuhören“, stellen die österreichischen Bischöfe in ihrem Einladungswort zur Synode fest. „Im ersten Jahr soll auf der Eben der Diözesen und innerhalb jedes Landes ein breiter Prozess des Zuhörens stattfinden.“ Vom Hinausgehen ist in ihrem Brief nicht die Rede. Vielmehr beziehen sie sich auf das Exerzitienbüchlein des hl. Ignatius: Wir müssen bereitwilliger sein die Aussage des Nächsten zu retten (!) …. Was bitte müssen wir retten? Begegnet uns nicht in jedem Menschen Gott, vor allem in den Benachteiligten? Ist nicht die Option für die Armen Tradition dieser Kirche? Also heißt es doch gut hinzuhören, was da wer zu sagen hat! Im Original heißt es, „… dass jeder gute Christ mehr dazu bereit sein muss, die Aussage des Nächsten für glaubwürdig zu halten, als sie zu verurteilen.“

„Vor allem sollen wir auch jene in den Blick nehmen, die am Rand unserer Gesellschaft stehen. Machen wir uns in der ersten Phase auch auf die Suche nach denen, die uns und das Evangelium brauchen. Nehmen wir unsere Sorgen und Nöte ernst und binden wir sie in unsere Überlegungen ein“, so Bischof Alois. Das könnte fast Hoffnung geben, wäre da nicht in der Formulierung dass uns die anderen brauchen und vom Einbinden in unsere Überlegungen die Rede. Das ist nicht die Haltung der Erneuerung, keine Haltung der Offenheit, vielleicht gar Absichtslosigkeit. Wir müssen umkehren, sagt Franziskus, hinausgehen, uns in Frage stellen lassen, raus aus unserer innerkirchlichen Blase! Gerade jetzt in dieser bewegten Zeit! Hinaus in eine Welt die brennt!

“Ich habe eine Welt und diese Welt brennt. Und wo etwas brennt da entsteht eine Kraft. Und diese Kraft reißt mit.” Wer weiß, vielleicht hat die gläubige Christine Lavant damit den Heiligen Geist gemeint.

Karl A. Immervoll