Traditionen oder Traditionalismus

Beim Treffen der pensionierten PastoralassistentInnen im Oktober in Gföhl haben wir uns nach einem persönlichen Austausch mit traditionalistischen Gruppen der Katholischen Kirche auseinandergesetzt, da es in der Nähe, im Schloss Jaidhof, eine von vielen Gruppen gibt. Im Gespräch und im Gehen haben wir diesen Ort in der Nähe von Gföhl auch besucht. Dabei haben wir über ein Buch von Thomas Schmidinger gesprochen. Er hat uns nachstehenden Text zur Verfügung gestellt. Übrigens – dieser Artikel darf nicht im digest der Katholischen Arbeitnehmer_innen Bewegung (KAB) erscheinen,  da er unter die Zensur fiel!!!

Traditionalisten und Dämonenversteher

Die Diözese St. Pölten – Hafen reaktionärer Strömungen der katholischen Kirche

Die Diözese St. Pölten war noch unter Bischof Franz Žak, der selbst noch am zweiten Vatikanischen Konzil teilgenommen und 1987 einen Versuch des Engelwerkes torpediert hatte in der Kartause Gaming eine Zweigstelle ihrer Hochschule Institutum Sapientiæ einzurichten, eine ganz gewöhnliche österreichische Diözese. Nach Žaks altersbedingtem Rücktritt 1991 und der Ernennung von Kurt Krenn zum Diözesanbischof 1991 wurde der Westen Niederösterreichs jedoch zunehmend zu einem Refugium erzkonservativer und traditionalistischer Bewegungen am Rande der katholischen Kirche, die vom bereits 1991 als Rechtsausleger innerhalb der Kirche bekannten Bischof geduldet und gefördert wurden.

Die Grundlagen dafür wurden allerdings teilweise schon früher gelegt. Das ländliche westliche Niederösterreich gehörte zusammen mit Oberösterreich schon seit den 1970er-Jahren zu den Hochburgen der reaktionären Gegenbewegung gegen die Reformen des zweiten Vatikanischen Konzils. In einer Region in der teilweise noch immer der alte Adel über großen Landbesitz verfügt, waren auch ausreichende materielle Grundlagen für die Förderung rechts-katholischer Projekte vorhanden die dann unter Kurt Krenn und seinem Nachfolger Klaus Küng gedeihen konnten.

Bereits 1985 vermietete die damalige Eigentümerin, Rosa Gutmann, das waldviertler Schloß Jaidhof an die vom traditionalistisch gesinnten Erzbischof Marcel Lefebvre gegründete Priesterbruderschaft St. Pius X., die diese zur Zentrale des Distrikts Österreich ausbaute, zu dem neben der Republik Österreich auch alle anderen Staaten der ehemaligen Habsburgermonarchie zählen. Darin spiegelt sich auch der politische Wunsch zur Rückkehr zu den Verhältnissen des 19. Jahrhunderts wieder, der eben nicht nur eine kirchenpolitische sondern auch eine gesellschaftspolitische Wende in die Vergangenheit inkludiert. Nach ihrem Tod 2003 vererbte Gutmann das stattliche Anwesen schließlich der Piusbruderschaft, die dort heute eine Kirchengemeinde und ein Bildungshaus unterhält. Anhänger der Piusbruderschaft, deren Verhältnis zur offiziellen katholischen Kirche bis heute nicht wirklich geklärt ist, bilden aber nur einen Teil des reaktionären Randes des Katholizismus, der sich unter Krenn und Küng in der Diözese ausbreiten konnte.

Zu den wichtigsten Zeitschriften im Übergangsbereich zwischen rechts-konservativen und traditionalistischen Gruppen am Rande der katholischen Kirche in Österreich zählt die seit 1985 von Friedrich Engelmann  herausgegebene Monatszeitschrift Der 13., als deren Ehrenherausgeber bis heute Kurt Krenn im Impressum erwähnt wird.

Und auch das Engelwerk, dessen Aktivitäten Bischof Žak noch verhindert hatte, konnte unter Krenn wieder Fuß fassen und zwar nicht die durch das 1992 verkündete Dekret Litteris diei an die Kandare genommene Hauptströmung desselben, sondern jene, die sich den Anordnungen Roms verweigerten und weiterhin an ihrer bizarren und antisemitischen Engels- und Dämonenlehre festhalten.

Der Neffe des 1992 abgesetzten Leiters des Engelwerks, Hansjörg Bitterlich Bitterlich, André Wingen, der als geistlicher Vater jener Strömung gilt, die weiterhin an den Lehren von Bitterlichs Mutter Gabriele Bitterlich festhält, konnte in der Diözese St. Pölten bis August 2020 als Pfarrmoderator der Pfarren Neunkirchen an der Wild und St. Bernhard im Waldviertler Bezirk Horn de facto die Rolle eines Pfarrers ausüben.

Für überregionalen Unmut erzeugten in dieser Zeit homophobe Äußerungen Wingens, der 2014 im Pfarrblatt Homosexualität als „pervers, widernatürlich und schwerste Sünde“ bezeichnet hatte, die „geheilt“ gehöre. Die Diözese St. Pölten verteidigte damals vorsichtig den Priester. Nach seiner Pensionierung zog sich Pater André Wingen überwiegend in das offiziell als Verein geführte Kloster in Reinsberg zurück, agiert aber auch weiterhin als spiritueller Vater der verbliebenen Anhänger der Privatoffenbarungen von Gabriele Bitterlich.

Ob die Diözese St. Pölten unter Bischof Alois Schwarz sich von dieser Rolle als Rückzugsraum für reaktionäre Randerscheinungen der katholischen Kirche freispielen kann, wird sich erst herausstellen müssen.

Thomas Schmidinger

Der Politikwissenschafter Thomas Schmidinger hat ein Buch über katholischen Extremismus und Traditionalismus verfasst. Er sorgt sich vor allem um Kinder und Jugendliche in diesen Gruppen.
Kirchenzeitung Diözese Linz – Ausgabe: 37/2023 12.09.2023 – Heinz Niederleitner  
https://www.kirchenzeitung.at/site/themen/menschenmeinungen/am-rand-der-kirche

Thomas Schmidinger

WENN DER HERRGOTT DAS WICHTIGSTE AUF DER WELT IST«
Katholischer Traditionalismus und Extremismus in Österreich
mandelbaum verlag
Gedruckt mit Unterstützung durch die Stadt Wien

Herr,
lass mich deine Stimme heraushören
aus all den Reden…
lass mich deine sanfte und eindringliche Stimme
heraushören,
Herr.
Lothar Zenetti

In dankbarer Verbundenheit,
sowie noch gesegnete Tage im Advent im Zugehen auf das Fest der Geburt Jesu
für das Team – Stefan Mayerhofer –
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